16.07.2011

NPD-Demons­tration in Gießen

Am 16. Juli 2011 fand in Gießen eine bundesweit beworbene Demonstration der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) statt. Mit 132 Teilnehmenden blieb der Aufzug hinter den Erwartungen der Szene zurück und wurde von Beobachter*innen als exemplarisch für den desolaten Zustand der hessischen NPD gewertet. Im Vorfeld kam es zu internen Auseinandersetzungen innerhalb der neonazistischen Szene, weswegen ein Großteil der parteiunabhängig organisierten Neonazis aus Hessen (sog. »Freie Kräfte«) der Demonstration fernblieb. Das Motto des Aufzugs lautete »Das System ist am Ende – wir sind die Wende«. Redner der Demonstration waren der hessische NPD-Vorsitzende Jörg Krebs, sein Stellvertreter Daniel Knebel und der extrem rechte Publizist Jürgen Schwab. An der Demonstration nahm auch der Bundesvorsitzende der NPD Holger Apfel teil. Als Gruppe erkennbar traten die Kameradschaft Northeim auf, Einzelpersonen gaben sich zudem als Mitglieder des Anti-Antifa-Netzwerks Netphen sowie der Sturmdivision Saar zu erkennen. Ein Mitglied der Sturmdivision Saar weigerte sich trotz mehrfacher polizeilicher Aufforderung, eine Hakenkreuz-Tätowierung zu bedecken, und musste sich deshalb im Nachgang der Demonstration wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) verantworten.

Mehr als 1.500 Antifaschist*innen beteiligten sich an Gegenprotesten. Das Bündnis Gießen bleibt nazifrei hatte im Vorfeld dazu aufgerufen, den Nazi-Aufzug mit Massenblockaden zu verhindern. Stadt Gießen und Polizei setzten die NPD-Demonstration letztlich mithilfe des größten Polizeieinsatzes der Gießener Nachkriegsgeschichte und eines weiträumigen Versammlungsvebrots rund um den Gießener Bahnhof durch. Die genaue Route der NPD-Demonstration wurde von der Stadt Gießen geheim gehalten. Das Bündnis Gießen bleibt nazifrei kritisierte diesen Umgang mit der neonazistischen Demonstration im Nachgang scharf, aber auch die fehlende Solidarität des zweiten Protestbündnisses Gießen bleibt bunt, das ein Fest in der Innenstadt organisierte. Zuvor galt Gießen den Neonazis als »rote Hochburg«, da seit 1945 keine Nazi-Demo mehr stattfinden konnte; der vorherige Versuch im Jahr 1971 lag schon Jahrzehnte zurück und scheiterte am Widerstand von etwa 2.000 Antifaschist*innen.

Im Vorfeld der Demonstration vom 16. Juli 2011 planten Neonazis offenbar, einen unangemeldeten, scheinbar »spontanen« nächtlichen Fackelmarsch als Mobilisierungsaktion für die Demo durchzuführen. Am 11. Juli, wenige Tage vor der Demo, wurden in Linden (Landkreis Gießen) mehrere Autos gestoppt, deren Insassen sämtlich der mittel- und nordhessischen Neonazi-Szene zuzurechnen waren. Offenbar beabsichtigten die Insassen, einen derartigen Fackelmarsch durch Gießen im Rahmen der neonazistischen Kampagne »Die Unsterblichen« durchzuführen.